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Der Sonntagsbraten auf Abschiedstournee

Es gibt (Sanges-)Künstler, die irgendwie nicht den Weg von der Bühne finden. Nach der Abschiedstour folgt noch die Good-Bye-Tour, dann die letzte Tour, dann die allerletzte, dann die Comebacktour usw. usf. Manchmal erinnert es an den Sketchklassiker aus RTL Samstag Nacht mit Tommy Krappweis, wo der Verkäufer von Orient-Teppichen als Slogan unter dem Firmennamen "Geschäftsaufgabe seit 1954" zu stehen hatte.

In gewissem Sinn kann man das Verhältnis meiner Mutter zu Kasslerbraten ähnlich sehen. Nachdem sie in den letzten Monaten/Jahren immer wieder kontinuierlich Pech mit den Fleischstücken hatten ("Das pure Salz!"), hatte sie diesem Sonntagsgericht bereits abgeschworen ("Nie wieder!"). Aber das Leben ist voller Tücken, und wenn die Lebensmittelindustrie etwas kann, dann, dass sie ihren Produkten ein gutes Aussehen verleiht.

Und er sah wohl wirklich gut aus, wie er so da lag, im Supermarkt. Wohl geformt und mit appetitlichem Äußeren. Muttern wurde schwach, und so stand auf dem Sonntagsspeiseplan eben doch mal wieder Kasslerbraten mit Soße, Schnibbelbohnen und Salzkartoffeln. Lecker. Aber wie sagte schon Bert Brecht: "Mache einen Plan, sei ein großes Licht. Mache dann noch 'nen Plan, geh'n tun sie beide nicht."

Hier irrte Brecht. Zumindest teilweise. Der Plan B war durchaus schmackhaft, hatte mit der ursprünglichen Form (zumindest aus der Sicht des soßenliebenden Mecklenburgers) nur noch die Grundzutaten gemeinsam. Als modern inspirierte Köchin wurde der Braten schon am Vortag vorbereitet. Das lag nicht unbedingt an der gewählten Niedrigtemperaturgarmethode, die meist etwas länger dauert, sondern ist so Usus. Zwiebeln wurden fein gehackt und zusammen mit dem Fleisch und anderen Gewürzen in den Ofen gegeben. Alles sah so gut aus ...

Bis der Löffel der Wahrheit zum Einsatz kam. Schade um die Zwiebeln und die weiteren Ingredienzien: In früheren Fällen konnte Muttern die Soße, wenn sie durch das Kassler doch zu arg versalzen war, meist noch irgendwie retten. Diesmal landete alles im Ausguss. Damit das Gesamtgericht nicht ganz so trocken wurde, wurden die Salz- zu Stampfkartoffeln umgebaut, die Bohnen noch durch die Pfanne geschwenkt und das Fleisch - wider Erwarten erwies es sich durchaus als genussfähig - kam in Scheiben geschnitten mit auf den Teller.

Und der Schwur wurde wieder erneuert: Nie wieder Kassler.

4 Gedanken zu „Der Sonntagsbraten auf Abschiedstournee

  1. Katharina vom Tanneneck

    Hi Dirk,
    mir ist das auch sehr unangenehm aufgefallen! Kassler kann man hier nicht mehr kaufen! Ich habe es mehrere Male versucht aber es war immer das gleiche! Ich lasse es jetzt bleiben! Dieses versalzene Zeug kann man echt nicht genießen. Ich möchte ja auch eine gute Soße dazu. Was machen die nur mit uns? Sollen wir wirklich so einen versalzenen Mist verspeisen? Ich habe das Gefühl, wir Verbraucher werden nur noch betrogen! Das Fleisch wird begast, um besser auszusehen. Das alles nur, um immer mehr Gewinn zu erzielen. Nicht auf meine Kosten! Gerne zahle ich mehr wenn mir ein Metzger gute Qualität bietet. Leider habe ich das hier noch nicht gefunden. Ich lasse mir manchmal von Freunden oder Verwandten etwas aus dem Süden schicken. Das schmeckt schon ganz anders und ist mir lieber als Blumen. Die habe ich selbst im Garten! 🙂

    1. DirkNB

      Und Blumen isst man ja im allgemeinen nicht. Wobei es da auch entsprechende Anbieter (im Internet) gibt, die essbare Blumen offerieren. Kapuzinerkresse ist da ja gängiges Beispiel. Oder die lecker gefüllten, mit Bierteig umhüllten und frittierten Zucchiniblüten. Die habe ich zwar noch nie gegessen, kann es mir aber lecker vorstellen.
      Ganz so absolut in der Aussage wie Du möchte ich nicht sein. Ich gebe dem Handwerksfleischer der Region noch eine Chance. So man noch einen findet. Bei den Supermarktkollegen bin ich schon etwas skeptischer. Vielleicht muss ich mich des Themas auch mal praktisch annehmen. Dem Verhalten des Fleisches nach zu urteilen, unterstelle ich vor allem im Rand viel Salz. Vielleicht sollte man es mal versuchen, das Kassler vor der Zubereitung ausgiebig zu wässern. Ich fürchte nur, dass dann der eigentliche Geschmack auch den Bach runter geht.
      Wie kannst Du mich eigentlich mit einer sooo frühen Antwort so erschrecken? 😉 Sonst schreibst Du doch immer erst tief in der Nacht? 😉
      Noch ein anderer Gedanke. Wir hatten vor einiger Zeit mal in Deinem Blog(?) über Wruken/Steckrüben philosophiert. Neulich habe ich beim zugigsten Gemüsehändler Neubrandenburgs die ersten gesehen, leider ohne Preis und Herkunft. Die Zeit wird also kommen, wo ich sowas mal zubereite. Und wenn ich "meinen" Kameramann/Cutter dazu überreden kann, dann gibts das auch als EiTV.

  2. koelneruwe

    Versuch mal beim Anbraten nicht mit Wasser anzugiessen, sondern mit -ungezuckertem- Ananassaft.

    1. DirkNB

      Der zu bewirkende Effekt ist mir unklar. Das Salz bleibt ja trotzdem drin. Das Fleisch würde ggf. zarter. Den Tipp gibt es u.a. für den Weihnachtsbraten (größerer Vogel): Mit Hilfe einer Spritze oder etwas ähnlichem soll Ananassaft in das Fleisch gespritzt werden. Das macht das Fleisch dort auch sehr zart und leichter verdaulich.

      Achja: Ananassaft ist immer ungesüßt. Sonst dürfte er zumindest hierzulande nicht als Saft verkauft werden. Aber das nur nebenbei.

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