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"Qualität hat ihren Preis." - Eine Floskel, die man in der "Geiz-ist-geil"-Gesellschaft schon bald nicht mehr hören kann. Oder doch? Wobei nicht alles, was einen hohen Preis hat, auch unbedingt eine hohe Qualität haben muss - aber das nur nebenbei. Eine andere Floskel sei auch noch erwähnt: "Zeit ist Geld." Beide zusammen ergeben eine interessante Mischung aus allerlei Gedanken. Kernsatz: "Qualität braucht Zeit."

Zeit scheint eines der größten Luxusgüter der Gegenwart zu sein. Hektik bestimmt den Alltag und beinahe scheint es so, als ob diejenigen, die einen stressfreien Job haben, als Faulenzer oder noch schlimmer bezeichnet werden. Stressbedingte Erkrankungen nehmen zu, über die Qualität der geleisteten Arbeit wage ich keine Beurteilung. Alles muss schnell-schnell gehen, ob es richtig oder falsch ist, spielt keine Rolle. Essen wird zum notwendigen Übel, Genuss wird als Luxusgut zelebriert.

Auf sueddeutsche.de fand ich unlängst einen interessanten Artikel, der sich mit dem Thema befasste: Die perfekte Tomatensoße. Vor ein paar Jahren veranstaltete jemand im kleinen Kreis einen Tomatensoßencontest. Außer, dass es eben eine Tomatensoße werden sollte, gab es nur eine Vorgabe: kein Fleisch. Milch, Käse, Fisch u.ä. waren erlaubt. Ich nahm daran teil, hatte allerdings vorher noch nie eine Tomatensoße selber gekocht. Im Supermarkt ließ ich mich von den Produkten inspirieren, was ich wohl alles in das Sugo einarbeiten würde ... Tomaten, rote Spitzpaprika, Dosentomaten, Tomatenmark, Zwiebeln, Knoblauch, Mozzarella, diverse Kräuter, dabei natürlich Basilikum, gewürztes Tomatenmark und noch einiges mehr landeten im Einkaufskorb. In der heimischen Küche begann es klassisch: der Herkunft der Soße Tribut zollend schwitze ich die kleingeschnittenen Zwiebeln in Olivenöl an, fügte die geviertelten Tomaten, die gestückelten Spitzpaprika, eine Dose Tomaten, Salz, Pfeffer, Zucker hinzu und ließ alles etwas köcheln. Nebenher baute ich mir die weiteren Zutaten auf, um vom Geschmack inspiriert wie ein Künstler einfach nur zugreifen und die Soße aufwerten zu können. Der Griff erst zum Pürierstab, seiner Anwendung und dann zum Löffel zum Kosten brachte mich dazu, meine mühsam erworbene und aufgebaute Menagerie wieder wegzuräumen und alles so zu lassen, wie es war. Es war perfekt. Einfache gute Zutaten und ein wenig Zeit bei der Zubereitung, das war's. Den gleichen Gedanken findet der geneigte Leser auch im o.g. Artikel:

"Wer fünf Minuten für einen Sugo angemessen findet, sollte sich die doch auch sparen und zum Ketchup greifen."

Die dort beschriebene Tomatensoße steht ca. eine Stunde auf dem Herd.

Einer schönen Suppe geht es da nicht anders. Oder auch einem Risotto. Die einfachen Gerichte leben und sterben mit der Qualität ihrer Zutaten, die natürlich auch ihre Zeit brauchen. Das Schnitzel eines express hochgezüchteten Schweins wird nie die Qualität eines klassischen Hausschweins erreichen, dass in alle Ruhe sein Schlachtgewicht erreicht hat und bei dem es dann auch Spaß macht, es huldvoll zuzubereiten und mit Genuss zu verspeisen (interessanter Artikel dazu: "Studie: Franzosen bleiben trotz üppigen Essens schlank"). Aber heute wird die mangelnde Zeit, die man in die Zubereitung steckt, durch Chemie versucht zu vertuschen, so dass selbst gute Ansätze zu Lebensmittelsimulationen verkommen. Besonders unverständlich ist dann die Verwendung von Monoglutamaten/Hefeextrakten in Gerichten, die mit etwas gutem Willen nicht mal eine Brühe als Grundlage benötigen. Ein Beispiel dafür geistert gerade jubiläumstrunken durch die hiesige Blogosphäre. Da ich im Beitrag und in einem der Kommentare persönlich angesprochen wurde, sah ich mich gezwungen, auch etwas dazu zu schreiben. Ich glaube, meine Antwort drückt meine Meinung sehr gut aus, ohne jemanden zu verletzen.

Dem Essen und seiner Zubereitung, damit verbunden natürlich auch die Herstellung der Zutaten, gehört mehr Raum, Wert und Zeit eingeräumt. Ansonsten brauchen wir uns über die Lebensmittelskandale, Fettleibigkeit, Naturkatastrophen und vieles andere mehr nicht mehr zu wundern.