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Haute Cuisine – tiefer gelegt

Da sitzt man als Kulinariker vor seinem Rechner, eine weiße Eingabefläche vor den Augen und die Hände auf der Tastatur. Griffbereit stehen ein Supreme des Pyrénées - ein in Häppchen geteilter französischer Schnittkäse aus Kuhmilch und Schafsahne - sowie ein Glas Rotwein, ein wohltemperierter 2008er Montepulciano d’Abruzzo aus Italien. Was fehlt, ist eine Idee für den Einstieg in eine Kolumne über Neubrandenburgs höhere Gastronomie.

Aber da geht das Problem schon los, der morgige Kater wird schon auf die Zeit des Genusses vorgezogen, bei dem Versuch der Definition einer "höheren Küche". Legt man internationale Maßstäbe an, kann man grob pauschalisierend sagen, dass dieser Schriftbeitrag überflüssig ist. Vielleicht habe ich was übersehen, fündig geworden bin ich bisher nicht. Ein Restaurant mit wechselnden, in sich stimmigen Mehrgänge-Menüs und mit einem Lieferanten, der der Bauer aus der Region ist, würde einen der Idealfälle darstellen.

Es gibt aber eine Reihe "besserer" Restaurants in der Stadt, die sich von den einfachen schon etwas abheben. Es fällt schwer, hier Namen zu nennen, es soll ja auch keiner vergessen oder vor den Kopf gestoßen werden. Dem Ruf nach und teilweise auch durch eigenes Erleben würde ich nennen: Zur Lohmühle, Mudder Schulten Stube, Berlin. In den ambitionierten Küchen und auf den adäquaten Speisekarten findet man leckere Atzung, aber immer scheint doch ein Schuss Fertignahrung mit dabei zu sein. Im besten Fall ist es selbst hergestelltes Convenience, er ist aber selten. Meist zeichnet doch die eine oder andere einschlägige Firma der Nahrungsmittelindustrie dafür verantwortlich. Schwerpunkt sind hier die (Sättigungs-)Beilagen, aber auch manches Wildgericht habe ich aus einer Dose schon mal besser gegessen. Hier stolpern selbst die guten über ihre zu umfangreichen Menüangebote. Der Tipp: Der potenzielle Esser sollte sich weniger auf die Standard-Speisekarte, sondern auf das meist etwas schmucklosere Papier der Sonderkarte richten. Ignoriert man die Sattmacher - was unter Umständen auch gut für die Figur ist - und schlemmt in den Hauptbestandteilen, zeigen sich die hohen Fähigkeiten der Köchinnen und Köche.

Warum gibt es kein wirklich gehobene Gastronomie in Neubrandenburg? Warum gibt es kein Restaurant, dass komplett auf Convenience, auf (industriell) vorgefertige Speisen oder Bestandteile verzichtet? Warum wird Klasse noch immer über Masse (auf dem Teller) versucht, was aber scheitert? (Zur letzten Frage muss ich mich bei Gelegenheit nochmal ausführlicher äußern, aber das nur nebenher.) Sollte es doch die fehlende Zahlungswilligkeit hiesiger Kundschaft sein, die sowas nicht ermöglicht? Wenn alles auf dem Teller frisch zubereitet sein soll, ist natürlich ein Fleischgericht für 10 Euro oder ein Fischgericht für 12 Euro schwierig herzustellen. Die pekuniäre Leidensfähigkeit des hiesigen kulinarischen Publikums scheint bei 18, höchstens 20 Euro pro Teller erschöpft zu sein, was für Haute cuisine eben nicht ausreicht.

Schade. Aber wir dürfen froh sein, dass es in der touristisch hochwertiger erschlossenen Umgebung Neubrandenburgs durchaus ein paar Lichtblicke gibt, wenn man auch ein oder zwei Autostunden investieren muss. Der Schreiber dieser Zeilen fährt aber jetzt, zum Abschluss dieser Kolumne, sowieso nirgendwo mehr hin. Der Käse ist genossen, die Flasche Rotwein geht zur Neige, eine gewisse Bettschwere macht sich breit (man beachte die Schreibuhrzeit dieses Artikels oben neben der Überschrift). Apropos Käse und Rotwein. Wohlklingende Namen sind ihnen inne, was verbarg, dass ihre Quellen ein Discounter und ein Supermarkt waren. Sie waren auch "nicht schlecht", wirklich gut ist aber wohl was anderes. Aber zu viel kosten darf es ja auch nicht.