Nach einem entspannten Lesen einiger Artikel einer literarisch-kulinarischen Zeitschrift am frühen Vormittag bin ich angeregt, über entsprechende Themen zu philosophieren. Die Uhrzeit bringt es mit sich, dass es sich um das Thema Frühstück drehen muss, wobei - der Vergleich sei gestattet - meine Frühstücksverbindung etwa genau so eng ist wie die der sprichwörtlichen Jungfrau mit dem Kinderkriegen. Das war nicht immer so, aber ein großer Frühstückesser war ich noch nie.
Vor einer leidlichen Zahl von Jahren kam ich am späten Vormittag auf die Welt. Ein Eintrag in ein Fotobuch mit frühsten Kinderaufnahmen terminiert das Erblicken des Lichtes auf 10:15 Uhr, einer auch aus heutiger Sicht sehr angenehmen Uhrzeit, um ein Tagwerk zu beginnen. Nach dem Wach werden käme es dann so gegen 10:45 oder 11 Uhr zur ersten Nahrungsaufnahme des Tages, dem ich ohne weiteres zustimmen würde. Die gesellschaftlichen Konventionen bzw. der durch das normale Leben aufgedrückte Tagesablauf bringt aber ein sehr viel früheres Aufstehen und eine entsprechende Unlust am Frühstück mit sich, die mich doch dazu bringt, die Mahlzeit zu überschlagen. Aber nicht nur die Chronologie des Tages wirkt sich aus, auch die gemachten Erfahrungen.
Zu einer Zeit, als ich fast schräg gegenüber eines Supermarktes wohnte, in dessen Vorräumen sich auch eine regionale Aufback- und Verkaufsfiliale angesiedelt hatte, gab es ein durchaus kulinarisch zu nennendes Frühstücksritual. Früh - heute nicht mehr nachvollziehbar - stand ich auf, um meinen samstäglichen Wochen(end)einkauf mit Waren des täglichen Bedarfs zu erledigen. Beim Betreten besagten Marktes warf ich einen Blick in Richtung Bäckereistand, wie weit denn die Zubereitung eines Brötchens namens Spitzweck war und versuchte, meinen Einkaufsbummel (oder auch meine Einkaufshast) so einzurichten, dass ich mit deren frischer Aufbackfertigstellung den Kassenbereich verließ, sie - noch heiß - erwarb und schleunigst nach Hause entschwand. Dort war bereits alles für die Herstellung von zwei 5-Minuten-Eiern vorbereitet, was dann auch nicht viel länger dauerte.
Der erste Bissen war die Vorbereitung zur Sensibilisierung der Geschmacksknospen, aber beim zweiten kam dann alles Gute zusammen. Des Eierlöffels Spitze hatte ich mit etwas Senf eines regionalen Produzenten versehen; damit tauchte ich etwa mittig in das flüssige Goldgelb des durch den vorherigen Haps bereits geöffneten Eis. Mit aller gebotenen Vorsicht kam die Löffelspitze, nachdem sie das flüssige und etwas festere Eigelb sowie das Eiweiß durchstoßen hatte, an der Innenseite der Eierschale zum stehen, so dass dann der kleine kulinarische Heber halb gefüllt aus der Schale gehoben und im Mund versenkt werden konnte. Bevor hier aber irgend etwas geschah, kam noch ein Biss in die Spitzwecke hinterher, die mit kühlschrankkalter Butter belegt war, deren Verflüssigung durch das warme Brötchen erste randnahe Erfolge zeigte. Im Mund vereinigten sich jetzt auf beinahe orgiastische Weise die Wärme des Eis und der Wecke, die Frische der kalten sowie die cremige Angeschmiegtheit der warmen Butter in Verbindung mit der Konsistenz des Eis und den Aromen von Brötchen, Butter, Ei und Senf.
Und heute: Mein Bezug an frischen Landeiern ist eingeschränkt, Butter hat Frank verboten 😉 und die Spitzwecken gibt es auch nicht mehr. Außerdem machte besagter Supermarkt irgendwann die Pforten dicht, damit auch der Bäckereistand. Erschwerend kommt hinzu, dass ich auch noch umgezogen bin und nicht mehr allzu gern so früh aufstehe. Und weil kein Frühstück an das beschriebene kulinarische Vergnügen heran reicht, lasse ich es lieber ganz.